Der Deutsche Computerspielpreis 2011
Nach der traurigen Vorstellung vom letzten Jahr hatte ich an den „Deutschen Computerspielpreis 2011“ (merke: nun nicht mehr Deutscher Videospielpreis) kaum Erwartungen. Im Endeffekt wurde ich aber höchst positiv überrascht.
Die Kategorien standen dieses mal anscheinend nicht unter dem Baby-Blümchen-Schirm der Gewaltfreiheit, wie es noch im letzten Jahr der Fall war. Ich denke, hier können wir uns wohl bei all den Counterstrike-Amokläufern bedanken, die sich ihre Ausraster netterweise noch eine Weile verkneifen konnten, sodass die Preisverleihung unter medial neutralem Licht stattfinden konnte. Die Kategorien des Jahres 2011 lauteten wie zuvor Bestes Jugendspiel, Bestes Kinderspiel, Bestes Mobile Game und Bestes Browserspiel, aber auch das beste Serious Game sollte geehrt werden. Außerdem standen ein Preis für Nachwuchskonzepte, sowie ein besonderer Innovationspreis auf der Tagesordnung.
Im Bereich Jugendspiel konnte wie schon im Vorjahr die Firma Daedalic den Preis in Empfang nehmen. Dieses mal gelang es dem Team mit ihrem Point and Click Adventure „A New Beginning“, das sich einem möglichen Endzeitszenario widmet und den Spieler auf eine Zeitreise schickt, um mit gezielter Forschung an alternativen Energien einen Ausweg zu finden. Besonders überzeugte dabei wieder einmal die wundervolle Comic-Optik, die im letzten Jahr bereits Sadwick und Spot aus „The Whispered World“ an die Spitze verhalf.
Beim besten Kinderspiel ging es dann erstaunlich düster zur Sache: Gewonnen hat nämlich die „Kore Gang“, eine wundersame Monstertruppe, die auf den ersten Blick glatt aus der Feder von Tim Burton stammen könnte. Das 3D Jump and Run überzeugte die Jury durch den einzigartigen Stil und ein gelungenes Gameplay für die Zielgruppe der Kinderspiele. Obwohl dieser Satz wahrscheinlich den ein oder anderen erfahrenen Spieler abschreckt, ist die skurrile Truppe auch für ältere Zielgruppen definitiv einen Blick wert. Wer gerne ein Jump and Run im Stil von Nightmare before Christmas spielen möchte, der sollte sich die Kore Gang unter Umständen genauer ansehen.
Im Bereich Mobile Games wurde in diesem Jahr sogar ein Spiel gekürt, bei dem ein gewisser Gewaltfaktor nicht wegzureden ist: „Galaxy on Fire 2“ für das iPhone ist ein Raumschiff-Shooter, in dem der Spieler in einer riesigen Spielwelt gegen andere Piloten kämpft, sich Rohstoffe sichert und sein Schiff aufrüstet, um an Transport- und Kampfkraft zu gewinnen. Langzeitspielspaß ist hier für Freunde des Genres definitiv gegeben, sodass auch dieser Titel zu Recht vergeben wurde.
Als bestes Serious Game durfte sich die Energiekonzern-Simulation „Energetika“ betiteln lassen. In dieser Aufbausimulation hat der Spieler die Aufgabe, seinen Energiekonzern zu einer gesunden Mischung aus verschiedenen Energietypen zu führen. Dabei kommt es nicht nur auf Preis und Leistung an, sondern unter anderem auch auf Publicity und Nachhaltigkeit. Ein lehrreiches Serious Game, dem wohl ähnlich wie auch A New Beginning durch die Zwischenfälle im japanischen Kernkraftwerk Fokushima nachträglich zu ungewollter Aktualität verholfen wurde.
So weit so gut! Bis hierhin verlief die Preisverleihung vorbildlich für einen Videospiel… pardon, Computerspielpreis und alle vier Preise wurden nachvollziehbar vergeben. Trotz PvP-Raumschlachten durfte sich sogar GoF2 einen der Preise unter den Nagel reißen, was in meinen Augen der wohl schönste Unterschied zur verklemmten Haltung im Vorjahr war. Doch die folgenden drei Kategorien sollten nun noch einmal für eine gewisse Ratlosigkeit sorgen und diesem Enrage-Artikel zu seiner Kategorisierung verhelfen…
So gewann den Preis für das beste Browsergame für mich völlig unverständlicherweise das halbgare Browserspiel zum Kulthit „Die Siedler“, das sich momentan noch in einer sehr unausgereiften Betaphase befindet. Nicht nur, dass ein Allianzsystem, wie man es aus Genrevorreitern wie oGame oder Travian kennt, nur sehr begrenzt möglich ist, der Kampf zwischen Spielern ist noch nicht einmal ansatzweise implementiert! So ist es recht sinnbefreit, sich eine Armee aufzubauen, wenn erst einmal die wenigen NPC Gegner von der Karte vertrieben wurden. Der dritte große Schwachpunkt des Spiels ist das unfertige Bausystem, denn die Gebäude und Technologien sind schnell auf einem Maximalwert, sodass dem Spieler kaum etwas Anderes übrig bleibt, als in Einheiten zu investieren, die momentan noch vollkommen nutzlos sind. Erstaunlich ist darüber hinaus, dass bereits in dieser Beta-Phase die mittlerweile leider gängige Möglichkeit besteht, sich mit realen Euros einen unfairen Spielvorteil zu erkaufen. Diesem in meinen Augen noch mehr als unvollständigem Spiel in der Entwicklungsphase bereits den Preis für das beste Browserspiel zu geben ist einfach nur lächerlich.
Auch die folgende Vergabe des Preises für Nachwuchskonzepte erschien mir ein wenig seltsam. So erhielt den Preis das Spiel „Tiny und Big: Grandpa’s Leftovers“, in dem man sich auf die Suche nach Opas Hose begibt. Wer sich mit den Gewinnertiteln des Vorjahres beschäftigt hat, wird eine gewisse Übereinstimmung mit einem recht häufig auftretendem Gag aus „The Whispered World“ nicht abstreiten können. Das Gameplay basiert auf recht simplen Rätseln, die mit kleinen Werkzeugen wie Laserstrahl oder Enterhaken gelöst werden. An sich finde ich nichts Besonderes an diesem Konzept, ich möchte hier aber nicht voreilig urteilen. Vielleicht bietet es ja doch mehr, als es den Anschein macht. Gespannt bin ich aber vor allem, ob es wirklich um Opas Essensreste gehen wird…
Mehr als Peinlich wurde es im Anschluss bei der „Vergabe“ des Preises für besondere Innovation. Dieser Preis wurde schlicht und einfach von der Jury einbehalten, da angeblich keines der nominierten Spiele schlussendlich innovativ genug für diese Auszeichnung war. Tja, wenigstens war die Jury kreativ und entschied sich, den Preis im Schrank zu lassen.
Aufgewertet wurde die Veranstaltung nach den Deutschen Computerspielpreisen durch die Vergabe des Ehrenpreises LARA, den unter anderem die Spiele StarCraft 2 und der aktuelle Ableger der hochgelobten Assassin’s Creed Reihe einsacken durften und so die zuvor ausgezeichneten deutschen Titel irgendwie in den Schatten stellten. Hier weht der Wind auf jeden Fall aus der richtigen Richtung! Wenn es so weitergeht, wie in diesem Jahr und nach und nach noch die kleinen (aber mehr als bedauernswerten und peinlichen) Mankos ausgemerzt werden, so bin ich guter Hoffnung, dass sich der Deutsche Computerspielpreis noch zu einem vernünftigen Event entwickeln kann. Wer weiß, vielleicht muss mein Artikel zur Preisverleihung nächstes Jahr ja bereits nicht mehr unter der Kategorie /enrage einsortiert werden? Ich bin gespannt.