Dear Esther Review
Das hochgelobte „Dear Esther“ ist meine ganz persönliche Indie-Game-Enttäuschung 2012. Warum? Ganz einfach: Es ist das Gegenteil von dem, was es vorgibt zu sein.
Titel: Dear Esther
System: PC
Genre: Exploration
Erscheinungsjahr: 2012
Entwickler: The Chinese Room
Durchgespielt in 1,5 Stunden Spielzeit
Story: 6/10
Wir finden uns in der First Person Perspektive auf einer Insel wieder und erblicken als einziges Anzeichen auf aktive Zivilisation einen Funkmast am Horizont. Machen wir uns also auf den Weg… In innovativen Textbrocken bekommt der Spieler dabei eine pseudo-poetische Geschichte offenbart. Der Clou: Bei jedem Durchspielen des kurzen Abenteuers unterscheiden sich die Texthappen, sodass die Story weniger Sinn ergibt je öfter man Dear Esther spielt. Klingt bescheuert, aber irgendwie mag ich diese Herangehensweise. Meine Interpretation ist übrigens, dass der Hauptcharakter seiner Krankheit erlag und auf dem OP Tisch gestorben ist, während seine Frau Esther in einem Autounfall starb. Die Insel ist dementsprechend eine Art Zwischenwelt. Da es ein Teil des Spiels ist, sich seine eigene Version der Story anhand der zufälligen Textpassagen zusammenzureimen, sehe ich das jetzt nicht als Spoiler an. Falls ihr das anders seht: Entschuldigung.
Gameplay: 2/10
Den Begriff „Gameplay“ zu verwenden ist hier wahrscheinlich generell schon falsch. Dear Esther „spielt“ sich eigentlich viel weniger, als dass es sich entfaltet – und das extrem langsam. Die einzige Interaktion mit dem Spiel selbst besteht aus den Tasten WASD. Sie bewegen den Charakter geradezu in Zeitlupe durch die zwar wunderschönen, jedoch unendlich frustrierenden Landschaften. Und da sind wir auch schon bei dem Punkt angelangt, der das Spiel für mich ruiniert: Es ist nicht partout die Langsamheit des Charakters, sondern das Fehlen der Erkundungsmöglichkeiten, mit eben jenen The Chinese Room das Spiel so ausgiebig beworben hat. Ich sehe ein an die Küsten der Insel geschwemmtes Schiffswrack, doch nachdem ich mich ENDLICH angenähert habe, sind alle Eingänge blockiert. Ich betrete ein Höhlensystem und stelle schon nach kurzer Zeit fest, dass es sich um ein monotones Schlauchlevel handelt. Ich sehe ein Papierschiff und ertrinke beim Versuch, es zu erreichen. Wo ist denn nun der angepriesene Exploration-Aspekt?? Jeder einzelne Umweg, den man auf dem Weg zur Sendestation macht, wird mit Enttäuschungen bestraft. Sogar in den offeneren Abschnitten läuft der gespielte Charakter vor unsichtbare Wände, sobald er sich ein paar Schritte vom vorgegebenen Weg entfernt. Jeder Versuch, die beworbenen Erkundungen anzustellen, wird mit demotivierenden Erlebnissen verbunden. Dear Esther spielt sich furchtbar!
Grafik: 7/10
Was soll man sagen? Die wenigen Landschaften, die während des Durchlaufs bereist werden, sehen fantastisch aus. Optisch überzeugt das gepriesene Indie-Game auf voller Länge. Über die atmosphärische Tiefe hingegen kann man sicherlich streiten. Für mich kam sie vor Allem durch schlauchiges Leveldesign nicht so wirklich zu Stande. Auch der hochgelobte musikalische Hintergrund konnte mich nicht mehr oder weniger als bei anderen Spielen überzeugen. Er passt, ja, aber das tun andere Game Sountracks auch…
Fazit:
Ein wenig zu hoch gelobt, der kurze Ausflug auf die Insel! Die individuelle Herangehensweise an’s Storytelling, die sicherlich vielen sauer aufstoßen wird, gefällt mir dabei eigentlich noch sehr gut, auch wenn ich schon nach zweimaligem Durchspielen das ein oder andere Paradoxon erzeugt habe. Was wie bereits gesagt wirklich den Spielfluss zerstört, ist die permanente Bestrafung jeglicher Erkundungen. Wieso die Macher auch noch gerade diesen Aspekt in ihren Werbungen für’s Spiel in den Vordergrund rücken, ist mir gänzlich schleierhaft.
TL;DNR: Dear Esther zu spielen fühlt sich an, wie mit der Gabel unten im Bild Spaghetti zu essen.