Pokémon Generation 1 Review

Im Jahre 1999 hat wohl noch niemand damit gerechnet, was für ein unglaublicher Erfolg aus dem Pokémon Game Boy Spiel hervorgehen würde. Tajiri war einfach ein ambitionierter Programmierer…

Titel: Pokémon Editionen Blau / Rot / Gelb
System: Game Boy
Genre: Rollenspiel
Erscheinungsjahr: 1999/2000
Entwickler: Game Freak
Durchgespielt in 6 Stunden Spielzeit

Story: 2/10
Pokémon ist ein typisches Monster Collector RPG marke Gameplaygigant, das kaum von seiner Story lebt. Die einzelnen Versionen der ersten Generation verlaufen in ihrer Storyline komplett identisch: Ein junger Mann zieht mit seinem neuen Gefährten, einem kleinen, noch schwachen Taschenmonster, in die weite Welt hinaus, um durch Kämpfe mit gegnerischen Monstern und in acht speziellen Arenen zu zeigen, was er auf dem Kasten hat. „Ich will der Allerbeste sein…“, wie es schon das Intro der TV-Umsetzung verlauten lässt, ist das Motto hinter dem berühmten Rollenspiel rund um die mal süßen und knuffigen, mal coolen und gefährlichen Monster. Neben den Arenakämpfen gibt es allerdings ab und an auch einige banale Sidequests zu bewältigen, die die Story voranzutreiben versuchen. So nervt zum Beispiel das bekannte Team Rocket oder ein Ausflug auf den Pokémon-Luxusdampfer „MS Anne“ den abzeichengeilen Jungtrainer auf dem Weg zur Spitze. Macht aber nichts, schließlich leveln die gefangenen Monster bei jedem besiegten NPC fleißig weiter, sodass sich der Umweg meistens lohnt. Nachdem alle acht Orden der Arenaleiter erlangt wurden, muss sich der Trainer abschließend der „Top4“ stellen, den mächtigsten Trainern der Pokémon-Welt. Sind diese Kollegen besiegt (so schwer sind sie eigentlich nicht, denn jeder von ihnen beschränkt sich auf ein spezielles Element und kann so mit Leichtigkeit auseinandergenommen werden) stellt man erschrocken fest, dass der Nachbarsjunge den Traum des Champions knapp zuvor verwirklicht hat! Frechheit! Der Trainer muss sich also ein letztes Mal mit seinem ewigen Kontrahenten um den Titel prügeln. Ein wenig Story bleibt sogar nach Abschluss des letzten Kampfes noch zu erleben, denn der Poké-Professor Eich verlangt vom Spieler das Einfangen aller 150 Pokémon (er ist so gnädig auf das 151. zu verzichten, das man auf „legalem Wege“ nur direkt bei einer Nintendo Promotion auf seine Kassette laden konnte). Auf dem Weg zu diesem Ziel durchstöbert man also noch einige Bonuslevel wie das Kraftwerk oder den mysteriösen Geheimdungeon und kann sich danach endlich als Pokémonmeister betiteln lassen. Wer den guten alten Game Boy Drucker besitzt, kann sich sogar eine Urkunde über seine Leistung ausdrucken lassen. Leider ist dieses wertvolle Zertifikat ein wenig zu klein zum einrahmen, vielleicht sollte Nintendo über einen Game Boy Plotter nachdenken?

Gameplay: 9/10
Pokémon schafft es, das Monster Collector Rollenspielprinzip nach Amerika und Europa zu bringen. 151 verschiedene „Charaktere“ warten darauf, im klassischen turnbased RPG Stil in Duellen gegen andere Pocket Monster trainiert zu werden. Bei jedem Sieg gibt es Erfahrungspunkte, bei genügend Erfahrung ein Level Up und bei genügend Level Ups neue Attacken oder sogar die Chance, das Monster zu einer stärkeren Form zu entwickeln. Dabei sorgt ein Element-System mit Schwächen und Stärken einzelner Typen für Abwechslung im Kampfgeschehen. Ein Feuer-Pokémon wird beispielsweise von einer Wasser-Attacke doppelt hart getroffen, während ein Elektro-Pokémon seine Schwierigkeiten mit dem Typ Gestein bekommen wird, da seine Angriffe hier nur wenig bis gar keinen Schaden anrichten können. Mit einer Vielzahl von Elementen kommt es so also nicht nur auf Level und Attacken, sondern auch auf Pokémontypen an. Außerhalb der Kämpfe ist das Gameplay ebenfalls an typischen Rollenspielen angelehnt: Der Spieler läuft in Vogelperspektive durch eine für den Game Boy relativ große Spielwelt, in der er sich recht linear von Stadt zu Stadt bewegt, um Orden zu sammeln und gelegentlich ein paar Sidequests zu absolvieren, die den Spieler meist mit Boni in Itemform belohnen. So zum Beispiel kommt es vor, dass der Wärter der „Safari-Zone“ sein Gebiss verloren hat. Findet der Spieler das Gebiss und gibt es seinem Besitzer zurück, so erhält er als Dankeschön ein Item, das seine Pokémon bei Benutzung einen sehr speziellen Angriff erlernen lassen kann. Dieser sogenannte HM-Angriff (Hidden Machine) kann auch außerhalb der rundenbasierten Duelle eingesetzt werden und ermöglicht es, neue Wege der Spielwelt zu erkunden, die vorher versperrt waren. Solche HM-Angriffe sind zum Beispiel der „Zerschneider“, mit dem Büsche aus dem Weg geräumt werden, oder der „Surfer“, mit dessen Hilfe sich der Spieler auf dem Rücken eines Pokémon über den Ozean Wagen kann. Ist das Spiel geschafft und der schwerste Trainer in Form des Nachbarjungen besiegt, verliert die erste Generation der Pokémon-Games aber noch lange nicht an Reiz, denn prinzipiell geht es jetzt erst richtig los! 151 kleine Monster wollen gefangen werden, wobei die Editionen selbst jeweils nicht alle Monster beheimaten, denn einige treten jeweils nur in einer oder zwei der drei Versionen auf. So ist ein Tausch zwischen Spielern später unumgänglich. Ein noch größerer Reiz stellt allerdings der PvP-Modus über GameLink-Kabel dar, in dem sich zwei Spieler mit je sechs ihrer stärksten Pokémon messen können. So bleibt ein Langzeitanreiz auch nach Abschluss der Story und Vervollständigung des Pokédex erhalten, denn wer mit einem Team antreten will sollte für maximale Level und perfekte Attacken sorgen! Ein kleines Gameplay-Gimmick bietet übrigens die dritte Edition des Spiels, die erst nach der TV-Adaption der ersten beiden Games erschien: Der Spieler begibt sich wie Protagonist Ash mit einem Pikachu auf die Reise, anstelle einen von drei Startpartnern zu wählen. Die knuffige gelbe Ratte läuft dem Spieler dann während des Spiels als kleines Sprite hinterher, verändert den Spielfluss allerdings in keinster Weise. Weitere Gameplayunterschiede der Versionen gibt es nicht.

Grafik: 9/10
Grafisch reizt Pokémon den in die Jahre gekommen Game Boy noch einmal ordentlich aus. Während die Spielgrafik außerhalb der Kämpfe wunderbar gepixelt ist und an den Stil alter RPGs erinnert, bekommt der Spieler erst im Pokémon-Duell den wirklichen Höhepunkt des Spiels zu sehen. Neben jedem der 151 verschiedenen Tierchen stellen sich auch gegnerische Trainer in fantastischer Optik zu Kampfbeginn vor. Hier wurde viel Mühe investiert, das erkennt man sofort. Neben den Charaktermodels sind aber besonders die Angriffe der Pocket Monsters ein wahrer Augenschmaus auf Nintendos „kleinem“ Auslauf-Handheld. Jede einzelne Attacke hat ihre spezielle, unverkennbare Animation, wenn sie auf den Feind angewendet wird. Die Effekte sind dabei überzeugend und für den Game Boy technisch hervorragend umgesetzt. Neben der Qualität ist aber natürlich der grafische Stil ein wichtiger Aspekt, der hier einfach ideal das Gameplay unterstreicht und eine stimmige Atmosphäre erzeugt. Alles ist etwas kindlicher gehalten, damit die Spielumgebung besser zu den kleinen Monstern passt. Dennoch wirken viele Pokémon bedrohlich oder cool, nicht alle sind süße kleine Wegbegleiter! Es passt einfach alles optimal zusammen, sodass ein wundervolles Ambiente entsteht, das den Spieler in die in sich geschlossene Welt der Pokémon entführt. Ein besonderer Grafikleckerbissen ist außerdem die gelbe Edition: Diese spielt sich auf dem ersten Game Boy zwar genau wie die anderen Editionen, für den Game Boy Color sind allerdings bereits Farbeinstellungen hinterlegt worden, die die Möglichkeiten der Hardware bestens ausnutzen. So wird Pokémon in der gelben Edition zum farbenfrohen Erlebnis, mit dem die Starttitel Blau und Rot nicht mithalten können. Diese können (wie typisch für alte Game Boy Titel) auf dem Color nur in voreingestellten Schemata leicht farblich hinterlegt werden. Dennoch gibt es für die optische Darbietung auf dem Game Boy, für den diese Spiele konzipiert sind, satte neun Punkte für eine wahrlich hervorragende Leistung, die mit Fug und Recht als einer der grafischen Höhepunkte der Game Boy Bibliothek betitelt werden kann.

Fazit:
Als Satoshi Tajiri Pokémon erschuf, setzte er sich selbst nicht nur ein Denkmal in der Geschichte der Videospiele, sondern zeigte auch, dass aus guten Hintergedanken meist die besten Spiele werden. In seiner Jugend war Tajiri nämlich ein begeisterter Käfersammler, doch mit der Zeit schwappte die Großstadt immer weiter in den kleinen Vorort Tokios, den er sein Zuhause nannte. Nach und nach verschwanden Grünflächen und Waldgebiete, sodass sich Tajiri nun voll und ganz den Videospielen verschrieb und letzten Endes in einer Gaming-Redaktion landete. Eines Tages sah er, so die Legende, auf dem Heimweg zwei Kinder, die mit ihren Game Boys „Tetris“ über ein GameLink Kabel spielten. Der alte Käfersammler in Tajiri war sofort zu neuem Leben erweckt und die Idee von Pokémon geboren, ein Spiel, mit dem der Videospiel-Narr sein altes Hobby an diejenigen jungen Menschen weitergeben wollte, die in städtischen Gebieten keine Möglichkeit zum wirklichen Käfersammeln hatten. Über das GameLink Kabel wollte er den Tausch der virtuellen Käfer realisieren. Natürlich wäre eine reine Käfersammler-Simulation zu Tokios Arcade-Zeiten recht langweilig gewesen, sodass schnell das Prinzip der Kämpfe zwischen gefangenen Tieren entwickelt wurde. Dabei kam die Idee auf, dass ein Vogel, der natürliche Feind der Käfer, eingeführt werden könnte, der besonders viel Schaden anrichtet, wenn er eben einen Käfer attackiert. Das heute komplexe Prinzip der Pokémontypen war geboren. Mit diesem System und den Konzeptzeichnungen und Animationen seines Kumpels Ken Sugimori (noch heute Lead Designer der Pokémonspiele) wurde Pokémon zu einem riesigen Erfolg und zählt heute zu den weltweit meistverkauften Spielen aller Zeiten. Und das zu recht, denn das Gameplay ist genial für ein kompetitives Rollenspiel und treibt den Spieler dazu, endlose Stunden in die Perfektion seines Teams zu investieren. Für weniger auf den Kampf konzentrierte Spieler ist der Sammeltrieb ein entscheidender Faktor, der das Spiel auf lange Zeit interessant macht, denn es dauert durchaus seine Zeit bis endlich alle Pokémon gefangen sind. Außerdem ist das Spiel anfängerfreundlich und generell komplett frustfrei zu spielen. Selbst bei Kampfunfähigkeit sämtlicher Pokémon geht lediglich ein wenig Ingame-Geld verloren und der Spieler darf den Kampf, in dem er verloren hat, jederzeit neu beginnen. Kein Game Over, kein „zurück zum letzten Savepoint“ à la Final Fantasy. Gerade das macht Pokémon zu einem sehr Kinder- und Einsteigerempfänglichen Titel. Echte Hardcore-Fans erkennt man dann später an ihrem Level 100 Sechserteam mit ideal ausbalancierten Attacken, das nur darauf wartet das gegnerische Team einzustampfen. So bleibt als Fazit nach meiner kleinen Geschichtsstunde prinzipiell nur noch eins zu sagen: Pokémon Generation 1 ist „easy to learn, hard to master“ und bietet wahnsinnigen Langzeitspaß mit interessanten und charakteristischen Monstern, die ihren Wiedererkennungswert nicht erst seit TV-Adaption, Sammelkartenspiel, Butterbrotsdosen, Unterwäsche und weiß Gott was noch in unser Gedächtnis eingebrannt haben.

TL;DNR: Kult schlechthin und das mit Recht. Teams aus sechs von 150 Pocket Monsters treten zum Kampf an.