Der Deutsche Computerspielpreis 2017
Schon seltsam, dass ich mit dem DCP irgendwie nur vor und nach meiner Zeit in der Games Industrie Berührungspunkte zu haben scheine, aber gestern habe ich mir nach langer Pause dann doch mal wieder die Preisverleihung angesehen. Was für ein Krampf.
Angefangen hat die Verwirrung für mich bereits in den Interviews vor dem eigentlichen Showbeginn, die von LeFloid und seiner Entourage geführt wurden. „Hmm.. Haben die Jungs überhaupt was mit Gaming zu tun?“ ging es noch durch meinen zugegeben sehr YouTube-fremden Kopf, als der Gong ertönte und das Elend seinen Lauf nahm.
Als Showmaster hatte man niemand geringeren angeheuert als Barbara Schöneberger, den lebendig gewordenen Bodensatz aus der Abfalltonne für Sexismus-Witze und Gender-Klischees des vergangenen Jahrzehnts. Interessante Wahl für eine Preisverleihung der Branche, für die Gleichberechtigung und Inclusivity so selbstverständlich sind wie die Credits am Ende ihrer Spiele. Naja, als Ausgleich durfte ja später noch Olivia Jones auf die Bühne, da kann man die schmerzhaft-unlustigen politischen und geschmacklichen Fehltritte von Frau Scheißeberger doch wohl entschuldigen, oder!? Wenn es in ihrer viel zu lauten und unpassenden Auffassung von „Unterhaltungseinlagen“ nicht gerade darum ging, Star Trek und Kalinka zu „singen“ und dann von einem „Gaming Medley“ zu sprechen, wurden die alten Schenkelklopfer zum Thema Fußball und Geschlechterrollen gedroschen. Unerträglich.
Der ganze Schöneberger-Mist war eben höchstwahrscheinlich auf die Laudatoren angepasst, die zum Großteil ebenfalls völlig am Thema (und nach erster Einschätzung auch mit Vollgas am Leben) vorbeiliefen. Wer noch gegrübelt hat, warum digitale Infrastruktur in Deutschland vom Verkehrsministerium betreut wird, der freut sich spätestens nach dem Auftritt von unserem Herrn „Bundesminister für Verkehr und Digitale Infrastruktur“ eigentlich nurnoch darüber, dass wir überhaupt Internet in Deutschland haben. Während hier von einer „Gigabit-Gesellschaft“ Reden geschwungen wurden, laggte der Stream schon auf 720p bis ins ungenießbare… bei 1000 Zuschauern. Stark.
Neben politischen Witzen zum Davonlaufen („Pacman is ja auch gelb und hat nen großes Maul, wie bei der CDU, HAHAHAHAHAH“) wurde dann irgendwann noch Mark Forster auf die Bühne gezogen, um das scheintote Publikum noch kurz mit DREI seiner gehirnschmelzenden 08/15-Dumpfbacken-Pop-Songs in den Schlaf zu lullen. Einer hätte auch gereicht, Danke.
Einzig Kurt Krömer schaffte es, den Abend mit seiner gespielten Unwissenheit aufzulockern und über den „Kettermaxen aus Uncharted“ oder die „Muschi aus Lost Guardian“ zu witzeln, während Blödeberger daneben steht und versucht zu beweisen, dass sie den Grundkurs „Wie rede ich über etwas, wovon ich keine Ahnung habe?“ mit Endnote Ausreichend immerhin nicht wiederholen musste. Auch der gute alte Gronkh durfte am Ende noch einen Preis verteilen. Man kann ihn ja lieben oder hassen, aber seine Sache machte er nach seinem Fremdschamkollektiv an Vorrednern erfrischend gut.
Stellt sich nun die Frage, warum man den ganzen Abend nicht von jemandem wie ihm oder den Rocket Beans oder wem auch immer leiten lässt, der zumindest Berührungspunkte mit der Branche hat?! Auf die Jury wollen wir mal gar nicht erst eingehen, da hat sich seit 2012 leider wenig getan: Vier „Spezialisten“ sammeln aus allen Einsendungen jeweils drei Nominierte heraus, die erst dann den „Experten“ (neben zahlreichen Ministern zum Glück auch Branchenurgesteine wie Gunnar Lott und Andreas Lange, aber auch jüngere Enthusiasten wie eben Erik Range) vorgelegt werden. Die eigentlichen Experten wählen also nurnoch aus drei vorgekauten Auswahlmöglichkeiten. Ob das sinnvoll ist soll sich jeder selbst beantworten.
Und auch wenn ich auf die Preise und Gewinner ja eiiiiiigentlich gar nicht eingehen wollte, so stellt sich doch gezwungenermaßen die Frage: Warum gewinnt das neue Zelda den COMPUTERspielpreis als bestes internationales Spiel? Sollte man den Abend nicht vielleicht Videospielpreis nennen, wenn ein Nintendo Switch Game gewinnt? Wäre wahrscheinlich peinlich, weil man sich ja von 2011 auf 2012 dazu entschied, den Namen von eben Videospielpreis auf Computerspielreis zu ändern. Whatever.
Mitdenker sind aber offenbar nicht nur bei den Veranstaltern und Ausrichtern, sondern auch bei den Zuschauern selten, denn den Publikumspreis 2017 gab es noch einmal für den dritten Witcher (2015) oder besser gesagt dessen DLC. Geradezu passend geschmacklos kam die deutsche Vertretung des polnischen CD Projekt Red auf die Bühne und witzelte auf BILD-Niveau über polnische Klischees wie man sie eigentlich nur von Babsi erwartet hätte. Ekelhaft.
So bleibt mir am Ende des Abends nur die Erkenntnis, dass ich in den letzten vier mir entgangenen Preisverleihungen wohl wirklich nichts verpasst haben kann und wahrscheinlich besser aus selbstschutz erst 2022 wieder einschalte. Vielleicht sind wir dann ja in der prophezeiten Gigabit-Gesellschaft angekommen und haben die olle Schöneberger endlich zum Mond geschossen oderso. Kann sich ja von Forster und seinen nervtötenden Chören begleiten lassen, den vermisst hier auch keiner.