Lucky Number Roguelike?

Ich spiele momentan auf dem Weg zur Arbeit Shattered Pixel Dungeon, ein sehr klassisches Roguelike Game. Für alle denen dieses Genre nichts sagt: Rogue war ein frühes Dungeon Crawler RPG mit einigen fiesen Besonderheiten wie Permadeath (kompletter Neustart wenn der Charakter in’s Gras beißt, was nicht selten passiert) und etlichen unbekannten Waffen, Tränken und Zaubern, die sich dem Spieler erst bei Benutzung erschließen. Stellt es euch wie das Dark Souls der 80er vor, teilweise sogar noch ein Stück kryptischer. Roguelikes sind – wer hätt’s gedacht – Spiele wie Rogue und bedienen sich auch heute noch dessen Mechaniken.

Jedenfalls ist mir beim Spielen in letzter Zeit ein Gedanke nicht mehr aus dem Kopf gegangen: Sind Roguelikes ein nerdiges Äquivalent zu den schäbigen alten Slot Machines, wie man sie in Pommesbuden und Spielotheken findet?

Klar, wir werfen beim Roguelike nicht permanent Geld ein, wenn wir verloren haben, aber das Verlieren gehört genau so zum Spiel wie am Automaten. Und das verrückte ist: Wir wissen das! Kaum ein Roguelike-Fan erwartet wirklich eines Tages mal das letzte Level eines solchen Spiels zu sehen (wenn es in Zeiten von prozeduralem Leveldesign überhaupt eines gibt), genau wie wahrscheinlich nur die wenigsten Spieler am einarmigen Banditen erwarten, für ihre fünf Euro den Jackpot zu knacken (wenn es in Zeiten von softwaregesteuerten Gewinnausschüttungsprozentrechnungen überhaupt einen gibt). Worum geht es den Spielern also, wenn nicht um’s Gewinnen? In erster Linie wohl um einen unterhaltsamen Zeitvertreib, aber was macht Roguelikes und Slot Machines eigentlich spannend?

Vor allem der Aspekt des Entdeckens spielt in beiden Systemen eine große Rolle. Während bei der Slot Machine in sehr vereinfachter Form einfach nur gewartet wird, was für Zahlen nach zehnsekündigem Drehen im Display stehen bleiben, hoffen wir im Roguelike darauf, dass wir dieses mal einen guten Run haben und nicht schon wieder im dritten Level von einer Riesenkrabbe gefressen werden (ich hasse dich, Sewer Crab). Wir wollen wissen, ob uns das Glück vielleicht doch endlich mal hold ist und nehmen dafür sogar zahlreiche Nullrunden in Kauf. Das Erledigen eines Bosses oder gar das Voranschreiten in ein nie gesehenes Setting ist dann im Game quasi das Gegenstück zum mittleren Geldgewinn am Automaten.

Ein weiteres ganz typisches Gameplay Element in Roguelikes ist auch, dass so gut wie nichts auf den ersten Blick erklärt wird. Farbige Tränke oder verzauberte Items entfalten erst bei der Benutzung ihre Wirkung und gehen auch gern mal nach hinten los, sodass unser Charakter zum Beispiel in Dragon’s Crystal wieder fünf Stufen zurückgesetzt wird. Trotzdem trinken wir wagemutig Trank um Trank, denn es könnte ja auch ein Gewinn dabei herausspringen. Selten ist dieser direkt erkenntlich („Du fühlst dich stärker“.. aha?), aber es weiß ja auch niemand, ob die drei Kirschen nun mehr Wert sind als die drei Zitronen. Wird schon was gutes bei rumkommen!

Wie eingangs schon wagemutig behauptet, denke ich also  tatsächlich, dass es den meisten Spielern beider Systeme nicht um das eigentliche Gewinnen geht, sondern dass das Spiel selbst im Vordergrund steht und vor allem der Zeitvertreib beim Bahnfahren oder eben beim Warten auf die Currywurst Pommes Schranke entscheidend ist. Dass es rein theoretisch einen Gewinn geben KÖNNTE ist ein zusätzlicher kleiner Kick im Hinterkopf.

Der entscheidende Unterschied der Systeme ist am Ende eigentlich nur, dass es eine Menge guter Roguelikes gibt, die nicht einmal Geld in der Anschaffung kosten, während ich noch keine Slot Machine gesehen habe, die gratis bespielt werden darf. Klar, der Betreiber will Geld machen, aber das wollen Spieleunternehmen doch meistens auch? Verwunderlich also, dass ein Roguelike mit Microtransaction bei jedem gestorbenen Charakter mit Sicherheit im Shitstorm untergehen würde, während dieses System bei den Slot Machines noch immer unmöglich wegzudenken ist. Aber da scheinen die Denkweisen der Spieler dann eben doch weiter auseinander zu liegen, als ihre Spiele.

Ich jedenfalls werde wohl noch eine Weile weiter rogueliken und rumsterben, während ich mir die Zeit in Bussen und Bahnen vertreibe. Obwohl das meinem Spielstil (wie Leser dieser Seite wissen) eigentlich grundsätzlich widerspricht und mich bei der Reflexion sogar zum Schreiben dieses Artikels bewegt hat. Es macht halt einfach Spaß… und vielleicht verkloppe ich morgen ja doch endlich die verdammte Sewer Crab!